Jetzt werde ich mal die Zeit für ein Geständnis nutzen: Ich habe eine gewisse Affinität zu Zahlen und Daten und zu deren Zusammenhängen. Es ist reizvoll und spannend zugleich, im Zahlensalat auch Strukturen zu erkennen.
Beispielsweise sind Wahlergebnisse für sich allein gar nicht so attraktiv. Sie bilden die Grundlage im wesentlichen doch nur für zwei Ereignisse. Zum einen sind sie der Anlaß für noch mehr hohle Sprechblasen und zum anderen für Koalitionsgeplänkel und irgendwelche Sitzverteilungen. Und doch soll in den Quotenlisten noch mehr herauslesbar sein? Und das ohne zwischen wild und suspekt changierenden Spekula- oder Interpretationen?
Ja, genau das ist möglich (und zeitigt vielleicht sogar unerwartete Einsichten)! Um nicht die Tränen der letzten Landtagswahl wieder aufzurühren, hier mal ein paar fiktive Zahlen, die allerdings gar nicht allzu weit von realen Ergebnislisten entfernt sind (die Ähnlichkeit mit dem gutbürgerlichen Farbschema wird nicht geleugnet; die D-Partei kann als Zusammenfassung kleiner Splitterparteien verstanden werden).
Um das Beispiel nicht zu überfrachten, sind Veränderungen in der Populationsgröße, in der Mortalitätsrate, in der Zahl der zur Wahl stehenden Parteien, im Wahlverhalten der Neuwähler (♀♂) nicht berücksichtigt, sondern nur die Ergebnislisten der vorigen und der nachfolgenden Wahl. Selbst unter diesen recht mageren Umständen ist es möglich, die Hauptströme der Stimmenwanderung abzuschätzen, ohne auch nur einen Wähler nach seinem veränderten oder konstant gebliebenen Wahlverhalten zu befragen (und ggf. bewußter Fehlinformation zu unterliegen). Wie es im Detail gerechnet wird, mag den hiesigen Rahmen sicherlich sprengen, aber die in der Abbildung gezeigten „Wanderrouten” sind realitätsnah.
Das Beispiel der B-Partei (rot) ist köstlich (wenn auch nicht überraschend). Etwa 5 % der vormaligen B-Wähler haben ihre Stimme der A-Partei (= vormaliger Wahlsieger) gegeben, doch 30 % lieber der E-Partei (grün). Aber auch die E-Wähler der vorigen Wahl steuern eine kleine Delikatesse bei: Ein Sechstel dieser Wähler haben offenbar das Vertrauen in die „grüne” Politik verloren und flüchten sich in eine der kleinen Parteien. Und dann ist da noch die A-Partei (schwarz). Rund 21 % der vormaligen A-Wähler wählen jetzt die C-Partei (aber interessanterweise nur jeder zehnte B-Wähler).