auf einem anderen Blatt

Es ist wirklich erstaunlich, wie inspi­rierend Blätter sein können, die im goldenen Licht der Herbst­sonne leuchten. Irgendwann, früher oder später werden diese Blätter fallen; die Zeit ist reif. Und irgendwann wird jemand dieses Blätter­fallen mit viel Tamtam für sich reklamieren.
Ich übertreibe?! Nein, nach den tausendfach am gestrigen Tag, dem 30. Jahrestag des soge­nannten Mauer­falls, abge­sonderten Sprech­blasen, die trotz kubik­kilo­meter­großen Volumens aller­höchstens mit eitler Selbst­gefälligkeit gefüllt, sonst aber hohl waren, weise ich den Vorwurf der Übertreibung von mir.
Es ist unfaßbar, wer jetzt nicht so alles einen wesent­lichen Beitrag geleistet haben will zur Wieder­vereinigung! Doch das hatte niemand auf den Fahnen stehen. Am aller­wenigsten die Bimbes-Birne. Und die Montags­demonstranten?! Nun, sie wollten reisen, wollten ihre persön­lichen Ambitionen verwirk­lichen können. Dagegen ist nicht viel einzu­wenden, außer daß der vorgeführte Aktionismus von einer unfaß­baren Naivität getragen war.
Naja, nun sind alle glücklich! Alle? Auch die, die sich längst mit ihrer wieder­vereinten Familie über­worfen haben? Warum berichten die jubiläums­taumeligen Medien nicht mal von denen? Weil es sie nicht gibt oder weil sie nicht ins Bild passen? Sind denn auch die glücklich, die durch die politische Über­nahme zu Menschen dritter Klasse gemacht wurden? Und das nicht nur temporär, während einer Übergangs­phase, sondern dauerhaft. Seit nunmehr schon 30 Jahren werden Ost-West-Unterschiede mit Sorgfalt kultiviert.
Doch letztlich kommt es nicht darauf an, was in der Kiste drin ist, sondern was draufsteht. Und welches Etikett eine Sache trägt, das bestimmt die Obrig­keits­kaste. Da mag ruhig „Demo­kratie” draufstehen, drinnen ist es trotzdem eine Diktatur. Eine Diktatur der Arbeiter­klasse oder eine Diktatur des Geldes. Vielleicht geht es in komplexen Gesell­schafts­strukturen auch gar nicht anders? Vielleicht braucht es Zwang, um Strukturen und Hierarchien zu konservieren? Doch auch ein solches Macht­instrument trägt ein Etikett. Und schon ist es kein Zwang mehr, sondern alter­nativ­lose Notwendigkeit.

Von alledem weiß das Blatt (wahr­scheinlich) nichts, das da bald vom Baum fallen wird, weil die Zeit reif ist. Doch viel­leicht läßt es sich dadurch trösten, daß die Medien es auch nicht wissen oder benennen wollen, können oder dürfen…

 

6 Kommentare zu „auf einem anderen Blatt

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