alles gesagt

Heinrich Heine meinte sein Deutschland, als er sein Gedicht „Nacht­gedanken” so beginnen ließ:

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.

Das war ein Deutschland, das in politisch unruhigen Fahr­wassern schlingerte, das ihn ins Exil getrieben hatte, von dem er aber nicht lassen konnte, weil dort eine von seinen Bezugs­personen lebte. Heine hatte Sehn­sucht nach seiner Mutter. Der es im übrigen erspart geblieben ist, später einmal als alte Umweltsau verunglimpft zu werden…

Denk ich an das Deutschland meiner Zeit, stellt sich auch keine Freude ein. Was da alles schief­läuft, wenn’s denn überhaupt läuft, weil Parteibuch und menschen­verach­tende Egomanie regieren, nicht aber Sach­verstand und Moral! Jüngstes Schaustück ist das Hickhack (siehe u. a. hier) um eine politisch-dema­gogische Verball­hornung eines Spott­lied­chens, in dem unsere Oma im Hühner­stall Motorrad fährt.

Eines vorweg: Nein, das Lied ist keine Satire. Und das ist nicht etwa eine Zweck­behauptung, die die nachfol­genden Zeilen zu recht­fertigen soll, sondern eine sachliche Feststellung.

Satire lebt von der Über­spitzung. Das ist etwas anderes als Belei­digung oder – Zitat aus oben genanntem Link: »Meine Oma […] überfährt dabei zwei Opis mit Rollator« – Verleumdung. Oder irre ich mich da? Immerhin sieht es Böhmermann, Spezialist dafür, wie man uninspi­rierten Unflat als Satire verkauft, anders. Und der muß es ja wissen!?
Apropos Wissen. Man kann sich nicht entschuldigen. Man kann (und muß ggf. sogar) um Entschul­digung bitten, um dann inständig zu hoffen, daß diese Bitte gewährt werde. Doch das wissen der WDR-Intendant Tom Buhrow und der Programmchef Jochen Rausch offen­kundig nicht.
Und dann ist da noch der Punkt: Instru­mentali­sierung der Kinder. Gibt es an dieser Stelle wirklich einen Zweifel? Alle Diktaturen haben bei der Durch­setzung ihrer Demagogie beson­deres Augen­merk auf die Spur-Treue der Kinder und Jugend­lichen gelegt. Kurzer Blick genügt auf die Jugend­bewegung der DDR oder der UdSSR oder auf die des soge­nannten Dritten Reiches… Und der Vorwurf, daß der WDR Kinder instru­mentali­siert habe, wird durch Aussagen wie diese: »Die Eltern hätten schließlich einge­willigt, dass ihre Kinder im WDR-Chor singen« nicht entkräftet, die vom Vorsitzenden des Deutschen Journa­listen-Verbandes (DJV) Frank Überall stammt (Zitat aus oben angegebenem Link).
Und wie ist das mit der zu Tränen rührenden Inkompetenz beim WDR, was das Publi­zieren höchst zweifel­hafter Inhalte angeht? Eines öffentlich recht­lichen Mediums, eines GEZ-Nutz­nießers? Publi­zieren einer tendenziösen Schelte an GEZ-Löhnenden mit anschließendem Versuch, die Beweise verschwinden zu lassen, indem schnell einmal gelöscht wird?! Das nennt man wohl Kompetenz und Seriosität?

Alles in allem ein Schaustück, das im kleinen illustriert, in welchem Zustand sich Deutschland aktuell befindet. Zustände, die einem den Schlaf rauben, vor denen aber trotzdem noch – siehe Heine-Gedicht – viel zu viele die Augen schließen…

12 Kommentare zu „alles gesagt

  1. Mir stieß es auch sauer auf, als ich darauf stieß – nicht nur, weil ich für „sowas“ jährlich über 200 Euro GEZ-Zwangsabgabe bezahlen muss, obwohl ich gar keinen Fernseher besitze, sondern auch, weil ich solche Instrumentalisierung von Kindern bisher nur aus Diktaturen kannte… Okay, wieder ein Mosaiksteinchen mehr: Vermutlich leben wir bereits in einer Diktaturvorstufe! 😠🤮
    Deutschland zu Beginn der 20er Jahre: Satire von links = Kunst / Satire von rechts = Volksverhetzung… Deshalb verzichte ich auch sicherheitshalber auf Witzchen über Böhmermann, wie er an seinen eigenen Darmschlingen gehängt wird, obwohl solche Scherzlein vorzüglich in mein Blog passen würden. Dabei bin ich gar nicht rechts, sondern „mitteradikal“… 😉

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    1. „mitteradikal”!? Ja, warum denn nicht? Ein solcher Ansatz dürfte eine Markt-)Lücke füllen. Ein Bedarf scheint eindeutig zu bestehen! Warum soll er nicht bedient werden? Ich schätze allerdings, daß sich die meisten – sei es nun die Obrigkeitskaste oder die „breite” (also von luxusdurchtränkter Behäbigkeit zugedröhnte) Masse – mit solchen „Richtungszahlen” gar nicht aufhalten: Wir wollen einen Schuldigen hängen, her mit dem Seil, da steht ein Baum. Und die interessiert’s nicht, ob der Ast, über den das Seil geworfen wird, nach links oder rechts zeigt…

      Übrigens wurde, was die hirnlosen Typen angeht, die unter gar nicht so abwegigen Umständen an die Macht kommen und kraft der nunmehr erlangten Wassersuppe übelst Vergeltung üben könnten (und es auch werden), das Stilmittel der Fabel perfektioniert. Da kann man munter kleine Geschichtchen von Protagonisten, die beispielsweise der Gattung ‘narzistisches Dreitagebartäffchen’ angehören, in Szene setzen. Wer bei Verstand ist, wird die Story zuordnen können, um den Rest ist’s eh nicht schad.

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  2. Heftiger Tobak, was da unter dem Deckmäntelchen von Comedy und Satire das Licht der Welt erblickt! Der Herr der Programme kommt bei seiner „Entschuldigung“ zum Schluss, dass ein Richtig oder Falsch eigentlich nicht klar verifizierbar sei, hält die Aktion aber persönlich doch für einen Fehler … Ab heute werde auch ich mein Müsli mit Weichspüler verfeinern, um unnötige Klarheit von Aussagen besser umgehen zu können!

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    1. Diese inhärente Widersprüchlichkeit dessen, was der ‘Herr der Programme’ da von sich gegeben hat, ist mir auch unangenehm aufgestoßen. Vermutlich ist es aber eine Folge dessen, daß besagte Person sein Mäntelchen mächtig im Wind flattern ließ (was freilich die eine oder andere Blöße freigibt), um im Sturm, der aus den unterschiedlichsten Richtungen braust, seinen Hintern zu retten…

      Was den Weichspüler angeht, wünschte ich mir die Geschmacksrichtung „scharfe Brechbohne” (mind. 1,5 Mio. Scoville). Kennst Du jemanden, der sowas anbieten könnte? 😉

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  3. Ohh,
    wir haben doch keine Diktatur, wir haben die beste Demokratie aller Zeiten und leben in der besten Welt aller Welten …

    Nahezu jeden zweiten Tag laufe ich an einem der „Studios des besagten Senders vorbei“ und erwische mich seit Monaten laut rufend:
    „Goebbels hat seine Freude an euch“ –
    doch wenn sie jetzt so offensichtlich „frech“ werden, sollte ich noch mal überdenken,
    was ich da sage, nicht nur, weil 50 Meter weiter eine fette Dienststelle
    der Gestapo/Stasi ist (mein alter Nachbar mag mir verzeihen, ist er doch bei der grünen Trachtengruppe und stand schon vor Jahren auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt mit MP vor der Brust).
    Drum laßt uns den Ball flach halten, die Inter-Nationalsozialisten sind doch gar nicht so schlimm, wie schon der Kommentator mit Herzkoma zu berichten wußte …

    Hmm, und wohl war, die Wahrheit und die Logik benötigen nicht diese Schubladen von links und rechts,
    doch wie gerne verkauft man uns, daß man die Wahrheit „aufteilen“ kann – auch wieder so eine besondere Ideologie …

    Also, Hände weg vom Alkohol und den Böllern,
    Raffa.

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    1. Ach, das mit den Böllern wird sich vielleicht als der falsche Weg erweisen. Der Krach soll ja dazu dienen, die bösen Geister zu vertreiben (und das Nebenprodukt der Kracherei, also die Explosionsflamme, wird umgewidmet als Gruß an die wieder lichter werdenden Tagesabschnitte). Doch fehlt es seit einiger Zeit schon an mentaler Hingabe (sprich: am Glauben) für Teufelsaustreibungen der akustischen Art. Ein Blick auf die aktuelle Gemengelage bei den Politikerdarstellern zeigt überdeutlich, was daraus entstanden ist. Und es dürfte kaum besser werden, wenn das angestrebte Verbot der akustischen Exorzismen erst durchgepeitscht sein wird. 😏

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      1. … akustische Exorzismen, welche
        a) durchgepeitscht werden …
        b) und jetzt schaue ich mal in die Glaskugel: deine Wort-Kombination trägt das Potenzial, das Wort des Jahres 2020 zu werden

        Bleiben wir ergo mit offenen Augen am Ball und peitschen zumindest weiter die Tastatur.

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        1. Na, wenn die Wort-Muse dich direkt zu Beginn so gesegnet hat … kann dich wahrlich nur der Selbst-Zweifel hindern, alsbald auch noch das Un-Wort des Jahres hier abzuliefern ….

          Bleib mal wacker am Ball – und natürlich auch an der Muse…

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