vor 100 Jahren…

Alexander Moszkowski
(* 15.01.1851, † 26.09.1934)

Überall Bakterien

Nee, ick sag‘ schon! Von Bakterien
Hat man früher nischt jewußt,
Da war’s Essen noch ’ne Freude
Und det Trinken war ’ne Lust:
Aber seit man die Bazillen
Und dergleichen Zeugs erfund,
Is der Mensch total jeliefert,
Allens is jetzt unjesund.

Les‘ ick da, det äußerst jiftig
Heutzutag Vanillen-Eis;
Früher aß man’s mit Verjnügen
Jeden Sommer massenweis‘:
Heute is selbst die Vanille
Vom Bazillenherd bedroht,
Schmecken dhut se ausjezeichnet,
Aber nachher is man dot.

Jrüne Aale, sonst det Beste
Wo der Mensch nur haben kann,
Sind nu ooch nich zu jebrauchen,
Seit der Fischbazillus dran;
Ißt se eener mit Verjnügen
An der Spree zum Abendbrod,
Liejt er jleich in letzten Zügen, –
Zehn Minuten später: dot.

Krebse, rechte scheene, jroße!
Wie jesund det früher war!
Heute jibt es Krebsbazillen
In dem Oderkrebs sogar;
Hat man sechs Stück ufjeprepelt,
Denkt man jleich: Schockschwerenot,
Warum is mich denn so übel?
Nächsten Morgen is man dot.

Ooch det Atmen is jefährlich;
Wenn ick gut dir raten kann,
Mitmensch, atme nich zu ville,
Sieh dir erst die Luft mal an;
Kommst de in so’n Pilzjewimmel,
Hilft dir keen Karbol und Jod,
Ziehste ’in den janzen Schimmel,
Fällste um und biste dot.

Holste dir ’nen netten Schmöker
Aus de Leihbibliapothek‘,
Kriegste gleich ’ne Schock Milliarden
Von Mikroben uf’n Weg;
Kommste uf de vierte Seite,
Wirste im Jesichte rot,
Uf der fünften kriegste’s Fieber,
Bei der sechsten biste dot.

Det ick mit de Hochbahn rutsche
Kommt mir niemals in den Sinn;
Nee, in die Bazillenkutsche
Da kriegt mir keen Deibel rin!
Steigste ’in fidel und munter,
Pletzlich spürste Atemnot,
Fährste bis zum Zoo hinunter,
Steigste aus und biste dot.

Nee, ick sag‘ schon! Von dem Leben
Hat man jarnischt, wie Verdruß,
Weil man die verfluchten Dinger
Immerzu verschlucken muß!
Alle Dage muß man lesen,
Wie det Kleinzeug uns bedroht,
Und wir jroßen Lebewesen
Fallen um – schwapp – mausedot!

26 Kommentare zu „vor 100 Jahren…

        1. „Hell und Schnell – 555 komische Gedichte aus 5 Jahrhunderten”, Herausgeber: Robert Gernhardt und Klaus Cäsar Zehrer;
          ISBN-10: 3-596-15934-2

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        2. Klingt gut – so will ich meine Zweifel zähmen.
          Obwohl! Leicht dürfte die Umsetzung der Idee nicht sein. 😉

          Beispiel: Konzert einer Klavierlehrerin” von Franz Werfel

          Die dicke Dame mit den Sommersprossen,
          Die tief sich in die Dekolletage wagen,
          – Ich wünsche Blouse ihr und steifen Kragen –
          Sitzt schon am Flügel fett und hingegossen.

          Die Noten ziehen gleich schweißbedeckten Rossen.
          Chopin, der Trauermarsch… und so getragen…
          Ich fühle nur ein leeres Mißbehagen,
          Von dieses Weibes Übermaß verdrossen.

          Die Schülerinnen sitzen in der Runde
          Und tun entzückt und hassen sie im stillen.
          Zehn Rosenkörbe glühn wie milde Fackeln

          Aufleuchtend lieblich aus dem Hintergrunde,
          Und schauen aus geängstigten Pupillen
          Auf ihre Brüste, die im Takte wackeln.

          😁

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        3. Ist das, was wir dort aus dem golddrahtigen Gebilde vernehmen, das ein gar possierlich gefiedertes Wesen birgt, vielleicht nicht uns zur Freude geträllert, sondern den gefiederten Artgenossen zur Warnung??? 🤔

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      1. Icke bin ja keen Berlina……deshalb kann ich es nicht so schön authentisch ausdrücken.
        Aber….ich mag die Berliner, bis auf ein paar wenige Ausnahmen deren Namen ich jetzt nicht erwähnen möchte……der Tag soll nämlich schön bleiben 😉

        Besten Dank daß Du auf unserer Seite warst und ich auf deine Seite hier gefunden habe.

        Gruß
        Mariettalucia

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        1. Gern doch! Wir können ja versuchen, unsere Blogs nicht aus den Augen zu verlieren… 😉

          Übrigens: ‘icke’ is keen Ba’lina Ausdruck. Det sacht man so üba de Ba’liner; sojar mit’n Sprüchlein: Icke, dette, kieke mal. Aba anne Spree wirste janz wat andret hör’n: Ick, det, kiek ma. Da kiekste, wa? 😄

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