Argumentationswettstreit

Was sagt es über unsere Zeit, daß so schreck­lich viele Zeit­ge­nossen nicht etwa zu argu­men­tieren ver­suchen, sondern ihr Gegen­über eis­kalt tot­quat­schen? Und dann verkaufen sie sich als Wissende, weil das schon längst in Leichen­starre gefallene Gegen­über schluß­end­lich nichts mehr zu erwidern hat.

Willensfrage

Ist politisches Rosinenpicken nach einer Bundes­tags­wahl mit dem Prinzip namens „reprä­sen­ta­tive Demo­kratie” ver­einbar? Gemeint ist die Ange­wohn­heit der­je­nigen Partei, die die meisten Stimmen – wie wenige es tat­säch­lich auch gewesen sein mögen – auf sich vereint hat, sich irgend­einen (in heutigen Zeiten eher irgend­welche) Partner weit­gehend unab­hängig von dessen Stimm­anteil zu suchen, bis endlich die 50 %-Marke gerade so über­schrit­ten ist.
Im hier gezeigten (fiktiven) Beispiel würde es die Partei A für ange­messen erachten, etwa jede fünfte ab­gege­bene Wähler­stimme für nichtig zu erklären, nämlich die 22 % der Partei B, um lieber mit C und D zu kungeln, weil man auf diese Weise ins­gesamt 53 % der Wähler­stimmen erreichen könnte, womit die Macht­gier vorerst befriedigt wäre.

Deutlich demo­kra­tischer wäre es, das Wähler­votum einfach zu akzep­tieren, das da im Klar­text lautet: Die Be­völke­rung traut keiner Partei Regie­rungs­kompe­tenz zu.

Damit ist der erste Wahlgang gescheitert. Die Parteien dürfen sich zur Beratung zurück­ziehen, um Koali­tions­möglich­keiten zu erörtern und daraufhin Koali­tions­partner zu finden. Das darf unab­hängig von Ausgang des ersten Wahl­gangs in belie­biger Anzahl geschehen, denn dieser führte ja zu keinem Ergebnis (ist also für die anste­hende Aufgabe irre­levant). Nach einer ange­messenen Frist gibt es einen zweiten Wahl­gang. Hier stehen keine Parteien mehr zur Wahl, sondern Koali­tionen. Diejenige Koalition, die mehr als die Hälfte der Wähler­stimmen auf sich vereinigt, darf die Regierung bilden.
Gibt es keine Koalition mit höherem als 50%-igem Stimm­anteil, findet die Regie­rungs­bildung nicht als Laien­spiel­veran­stal­tung einzelner koalie­render, sondern aller „mehr als 5%”-Parteien aus dem ersten Wahl­gang statt. Die Partei, die den Kanzler stellt, wird per Los bestimmt (die Anzahl der Lose in der Los­trommel hat der Stimm­vertei­lung aus dem ersten Wahl­gang zu ent­sprechen). Und nach Ablauf eines und jedes weiteren Jahres wird neu gelost.

Märchen

Der Rattenfänger hatte zu Hameln ein leichtes Spiel: Wenn er nur in der rechten Weise schal­meite, konnte er sich – fama est – seiner Gefolg­schaft (Ratten oder Kinder) sicher sein. Das ist bei den heutigen Poli­tiker­dar­stel­lern nicht anders (und zugleich ganz anders).
Die Politikerdarsteller schalmeien, was die Medien her­geben. Nur mit der Gefolg­schaft hapert es (da genügt bereits ein kurzer Blick auf die beinahe schon unter­irdi­schen Umfrage­werte wohl aller Parteien im Vor­feld der Bundes­tags­wahl). Das könnte damit im Zusam­men­hang stehen, daß die Themen, die da schal­meit werden, in keiner Weise ver­lockend sind. Und das könnte nun wieder damit zu tun haben, daß die Themen­auswahl nicht an dem aus­ge­richtet ist, was für die Bevöl­kerung gut oder von ihr gewollt wäre, sondern an den Phrasen, die Meinungs­forscher momentan als zugkräftig erachten. Und prompt schmücken sich all die Ratten­fänger (Pardon! All die Parteien) mit prak­tisch den gleichen Parolen…
Machbarkeitsstudien? Finanzierbarkeit? Rechenschaft abgeben vor denen, die das Mandat zum Regieren erteilten? Ach! Genug Märchen­stunde für heute…

Fachkompetenz

Ein seltsames Gefühl ist das, wenn Dinge passieren, die einem die kalte Schulter, die das Schicksal manchmal zeigt, als kuschelig warm erscheinen läßt. Im Detail klingt das mögli­cher­weise so: Ich bin in einer Firma als Zeit­arbeiter einge­setzt. Gestern fragte mich auch der nunmehr dritte Vorge­setzte, der inner­halb von weniger als 6 Monaten mein Einsatz­team leitet, ob ich nicht inter­essiert wäre, statt als Zeit­arbeiter lieber in Fest­anstel­lung in der Firma zu arbeiten.
Es wäre schön, wenn ein ehrliches Nein nicht als aus dem gesell­schaft­lichen Rahmen fallend ange­sehen würde. Aber Matthäus 5.37 kannst Du getrost vergessen: »Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.« Statt­dessen nuschelte ich diplo­matische Floskeln (inter­essante Aufgaben, tolles Team etc.), um dann im fünften Neben­satz des vierten Neben­satzes ganz vorsichtig auf drei Punkte hinzu­weisen, die eine beruf­liche Zwei­samkeit eher unwahr­schein­lich machen könnten. Aber Du leistest doch eine phan­ta­stische Arbeit; wir hätten Dich gern in unseren Reihen; welche Hemm­nisse sind es überhaupt…
Zwei der drei angesprochenen Punkte sind, ohne jetzt groß Interna preis­zugeben, elementare Prozeß­ketten, die ver­mut­lich noch nie auch nur ansatz­weise optimiert worden sind, sowie eine Informa­tions­politik, die am besten als Uninformiert-durch-Über­information zu beschreiben ist. Zu beiden Punkten hat Chefchen verständ­nisvoll genickt, was mich aller­dings nicht dazu bewegte, meine Rolle als kühler Beob­achter unserer Gesprächs­umstände nun eilig aufzu­geben. Schließ­lich fehlte ja noch Punkt drei: Mit meinem unschul­digsten Lächeln, das ich drauf­habe (um ich habe lange daran geübt!), sagte ich ihm, daß ich arge Probleme in den Struk­turen der Daten­bank sehe, die das Herz­stück des Produk­tions­ablaufs ist. Das ver­ständ­nis­volle Nicken changierte ins Generöse, unter­strichen durch ein paar warme Floskeln, die mich in den Feier­abend verab­schie­deten…
Heute nun war der Laden in hellster Aufregung, weil die Daten­bank gestern – Sachen gibt’s *ts ts ts* – einen sauberen Absturz hinge­legt hat (korrekt gesagt durch ein unsauberes Script sauber in den Abgrund getrieben wurde) und bei der Gele­gen­heit auch gleich etliche Kunden­daten durch ein chrono-synklastisches Infun­di­bulum für alle Zeiten un­erreich­bar in ein, weiß der Kuckuck welches Paral­lel­uni­versum ge­beamt hat…

unbelehrbar

Es verblüfft mich immer wieder aufs neue, wie diese Spezies ihren Weg trotz einer beinahe schon in Voll­endung zele­brierten Lern­aversion macht. Nun gut, zuge­geben, korrek­ter­weise sollte es heißen: einen Weg, also einen Ausweg findet. Und ja, es wurden – auch das zugegeben – in der Zwischen­zeit immense Berge an Lern­stoff ange­häuft. Doch wieviel Wichtiges ist darunter?

Beispiel: Was ließe sich möglicher­weise daraus lernen, daß in den so kurz vor der Bundes­tags­wahl hektisch beäugten Umfragen alle „klassischen” Parteien etwa die gleichen miesen Prozente erwarten dürfen?

G·G

Von mir aus sollten ruhig alle Bereiche des öffent­lichen Lebens zu 2-G-Zonen (g·impft, g·nesen) erklärt werden! Das würde das G·teste (dessen Sinn­haftig­keit ohnehin recht strittig ist) mitsamt der Bestrafungs­bepreisung über­flüssig machen.

Zielfunktion

Nicht erst seit dem erra­tischen Herum­gesto­chere der deut­schen Regierung in Corona-Fragen habe ich erheb­lichen Zweifel daran, ob die Poli­tiker­dar­steller den Terminus Tech­nicus Zielfunktion kennen und vielleicht sogar verstanden haben. Dabei handelt es sich um ein unab­ding­bares Werk­zeug für Opti­mierungen. In der Erläu­terung zu diesem Begriff kommt einigen Schlag­wörtern besondere Bedeutung zu: „optimal”, „meist komplex” oder „unbe­kannte Para­meter”.
Es dürfte schwer zu entscheiden sein, ob die kardinalen Fehler, die unentwegt wie Perlen auf eine Schnur gefädelt werden, ein Macht­kalkül einer irgendwie gearteten Elite bedienen oder ob sie einer unbeschreib­lichen Naivität entspringen, die von Egomanie der übelsten Sorte flankiert ist.
Sollen denn die Erfül­lungs­gehilfen einer irgendwie gearteten Elite – wenn man dieses Szenario favorisiert – den Kurs des Staats­schiffes, das den stolzen Namen „reprä­sentative Demo­kratie” trägt, bestimmen dürfen? Oder etwa die Kretins aus dem anderen Szenario? Wenn der Tombola-Pool nur aus Murks und Plunder besteht, wie groß dürfte dann die Wahr­schein­lich­keit sein, auch mal ein Goldstück zu gewinnen? Huch, wo kommt denn plötzlich die Bundes­tags­wahl her?

Symbolkraft

In rund einem Monat soll die Bundes­tags­wahl am 26. September statt­finden. Soll sie nur oder wird sie es auch? Diese Frage ist ange­sichts der im Moment munter steigenden Inzi­denz­zahlen durchaus nicht abwegig!
Ich bin bereit, meine Schwieger­mutter zu verwetten, daß die BTW wie avisiert statt­finden wird. Sie – also die Wahl, nicht die Schwieger­mutter – ist wie die Truppen­fahne. Wenn sie fällt – also die Fahne, nicht die Schwieger­mutter –, ist die Ehre dahin und gilt das Schar­mützel als verloren (nicht zuletzt, weil der Orientie­rungs­punkt im Schlacht­gewimmel fehlt).

Selbst bei einem Inzidenzwert von 250 und dem zuge­hörigen Wort­geblubber von Koryphäen (oder darf es mittler­weile schon Kory·unfähen heißen?) wird die Bundes­tags­wahl statt­finden, auch wenn es gewisser­maßen in einem Potëm­kin­schen Dorf (paˈtjɔmkɪnʃən ˈdɔʁf) sein wird.