Was sagt es über unsere Zeit, daß so schrecklich viele Zeitgenossen nicht etwa zu argumentieren versuchen, sondern ihr Gegenüber eiskalt totquatschen? Und dann verkaufen sie sich als Wissende, weil das schon längst in Leichenstarre gefallene Gegenüber schlußendlich nichts mehr zu erwidern hat.
Autor: ansicht768643
Willensfrage
Ist politisches Rosinenpicken nach einer Bundestagswahl mit dem Prinzip namens „repräsentative Demokratie” vereinbar? Gemeint ist die Angewohnheit derjenigen Partei, die die meisten Stimmen – wie wenige es tatsächlich auch gewesen sein mögen – auf sich vereint hat, sich irgendeinen (in heutigen Zeiten eher irgendwelche) Partner weitgehend unabhängig von dessen Stimmanteil zu suchen, bis endlich die 50 %-Marke gerade so überschritten ist.
Im hier gezeigten (fiktiven) Beispiel würde es die Partei A für angemessen erachten, etwa jede fünfte abgegebene Wählerstimme für nichtig zu erklären, nämlich die 22 % der Partei B, um lieber mit C und D zu kungeln, weil man auf diese Weise insgesamt 53 % der Wählerstimmen erreichen könnte, womit die Machtgier vorerst befriedigt wäre.
Deutlich demokratischer wäre es, das Wählervotum einfach zu akzeptieren, das da im Klartext lautet: Die Bevölkerung traut keiner Partei Regierungskompetenz zu.
Damit ist der erste Wahlgang gescheitert. Die Parteien dürfen sich zur Beratung zurückziehen, um Koalitionsmöglichkeiten zu erörtern und daraufhin Koalitionspartner zu finden. Das darf unabhängig von Ausgang des ersten Wahlgangs in beliebiger Anzahl geschehen, denn dieser führte ja zu keinem Ergebnis (ist also für die anstehende Aufgabe irrelevant). Nach einer angemessenen Frist gibt es einen zweiten Wahlgang. Hier stehen keine Parteien mehr zur Wahl, sondern Koalitionen. Diejenige Koalition, die mehr als die Hälfte der Wählerstimmen auf sich vereinigt, darf die Regierung bilden.
Gibt es keine Koalition mit höherem als 50%-igem Stimmanteil, findet die Regierungsbildung nicht als Laienspielveranstaltung einzelner koalierender, sondern aller „mehr als 5%”-Parteien aus dem ersten Wahlgang statt. Die Partei, die den Kanzler stellt, wird per Los bestimmt (die Anzahl der Lose in der Lostrommel hat der Stimmverteilung aus dem ersten Wahlgang zu entsprechen). Und nach Ablauf eines und jedes weiteren Jahres wird neu gelost.
Märchen
Der Rattenfänger hatte zu Hameln ein leichtes Spiel: Wenn er nur in der rechten Weise schalmeite, konnte er sich – fama est – seiner Gefolgschaft (Ratten oder Kinder) sicher sein. Das ist bei den heutigen Politikerdarstellern nicht anders (und zugleich ganz anders).
Die Politikerdarsteller schalmeien, was die Medien hergeben. Nur mit der Gefolgschaft hapert es (da genügt bereits ein kurzer Blick auf die beinahe schon unterirdischen Umfragewerte wohl aller Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl). Das könnte damit im Zusammenhang stehen, daß die Themen, die da schalmeit werden, in keiner Weise verlockend sind. Und das könnte nun wieder damit zu tun haben, daß die Themenauswahl nicht an dem ausgerichtet ist, was für die Bevölkerung gut oder von ihr gewollt wäre, sondern an den Phrasen, die Meinungsforscher momentan als zugkräftig erachten. Und prompt schmücken sich all die Rattenfänger (Pardon! All die Parteien) mit praktisch den gleichen Parolen…
Machbarkeitsstudien? Finanzierbarkeit? Rechenschaft abgeben vor denen, die das Mandat zum Regieren erteilten? Ach! Genug Märchenstunde für heute…
Fachkompetenz
Ein seltsames Gefühl ist das, wenn Dinge passieren, die einem die kalte Schulter, die das Schicksal manchmal zeigt, als kuschelig warm erscheinen läßt. Im Detail klingt das möglicherweise so: Ich bin in einer Firma als Zeitarbeiter eingesetzt. Gestern fragte mich auch der nunmehr dritte Vorgesetzte, der innerhalb von weniger als 6 Monaten mein Einsatzteam leitet, ob ich nicht interessiert wäre, statt als Zeitarbeiter lieber in Festanstellung in der Firma zu arbeiten.
Es wäre schön, wenn ein ehrliches Nein nicht als aus dem gesellschaftlichen Rahmen fallend angesehen würde. Aber Matthäus 5.37 kannst Du getrost vergessen: »Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen.« Stattdessen nuschelte ich diplomatische Floskeln (interessante Aufgaben, tolles Team etc.), um dann im fünften Nebensatz des vierten Nebensatzes ganz vorsichtig auf drei Punkte hinzuweisen, die eine berufliche Zweisamkeit eher unwahrscheinlich machen könnten. Aber Du leistest doch eine phantastische Arbeit; wir hätten Dich gern in unseren Reihen; welche Hemmnisse sind es überhaupt…
Zwei der drei angesprochenen Punkte sind, ohne jetzt groß Interna preiszugeben, elementare Prozeßketten, die vermutlich noch nie auch nur ansatzweise optimiert worden sind, sowie eine Informationspolitik, die am besten als Uninformiert-durch-Überinformation zu beschreiben ist. Zu beiden Punkten hat Chefchen verständnisvoll genickt, was mich allerdings nicht dazu bewegte, meine Rolle als kühler Beobachter unserer Gesprächsumstände nun eilig aufzugeben. Schließlich fehlte ja noch Punkt drei: Mit meinem unschuldigsten Lächeln, das ich draufhabe (um ich habe lange daran geübt!), sagte ich ihm, daß ich arge Probleme in den Strukturen der Datenbank sehe, die das Herzstück des Produktionsablaufs ist. Das verständnisvolle Nicken changierte ins Generöse, unterstrichen durch ein paar warme Floskeln, die mich in den Feierabend verabschiedeten…
Heute nun war der Laden in hellster Aufregung, weil die Datenbank gestern – Sachen gibt’s *ts ts ts* – einen sauberen Absturz hingelegt hat (korrekt gesagt durch ein unsauberes Script sauber in den Abgrund getrieben wurde) und bei der Gelegenheit auch gleich etliche Kundendaten durch ein chrono-synklastisches Infundibulum für alle Zeiten unerreichbar in ein, weiß der Kuckuck welches Paralleluniversum gebeamt hat…
unbelehrbar
Es verblüfft mich immer wieder aufs neue, wie diese Spezies ihren Weg trotz einer beinahe schon in Vollendung zelebrierten Lernaversion macht. Nun gut, zugegeben, korrekterweise sollte es heißen: einen Weg, also einen Ausweg findet. Und ja, es wurden – auch das zugegeben – in der Zwischenzeit immense Berge an Lernstoff angehäuft. Doch wieviel Wichtiges ist darunter?
Beispiel: Was ließe sich möglicherweise daraus lernen, daß in den so kurz vor der Bundestagswahl hektisch beäugten Umfragen alle „klassischen” Parteien etwa die gleichen miesen Prozente erwarten dürfen?
Unwissen
Ob geballtes Halbwissen nun Fluch
oder doch ein Segen
ist,
wird man
höchstens halbwegs wissen.
Toleranz
Irgendwie bin ich erschrocken und dankbar zugleich, daß es nachfolgendes Zitat gibt – von wem auch immer es nun tatsächlich stammen mag –, das punktgenau den aktuellen Zeitgeist beschreibt…
Gesehen bei maschinist:
Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um Idioten nicht zu beleidigen.
G·G
Von mir aus sollten ruhig alle Bereiche des öffentlichen Lebens zu 2-G-Zonen (g·impft, g·nesen) erklärt werden! Das würde das G·teste (dessen Sinnhaftigkeit ohnehin recht strittig ist) mitsamt der Bestrafungsbepreisung überflüssig machen.
Zielfunktion
Nicht erst seit dem erratischen Herumgestochere der deutschen Regierung in Corona-Fragen habe ich erheblichen Zweifel daran, ob die Politikerdarsteller den Terminus Technicus Zielfunktion kennen und vielleicht sogar verstanden haben. Dabei handelt es sich um ein unabdingbares Werkzeug für Optimierungen. In der Erläuterung zu diesem Begriff kommt einigen Schlagwörtern besondere Bedeutung zu: „optimal”, „meist komplex” oder „unbekannte Parameter”.
Es dürfte schwer zu entscheiden sein, ob die kardinalen Fehler, die unentwegt wie Perlen auf eine Schnur gefädelt werden, ein Machtkalkül einer irgendwie gearteten Elite bedienen oder ob sie einer unbeschreiblichen Naivität entspringen, die von Egomanie der übelsten Sorte flankiert ist.
Sollen denn die Erfüllungsgehilfen einer irgendwie gearteten Elite – wenn man dieses Szenario favorisiert – den Kurs des Staatsschiffes, das den stolzen Namen „repräsentative Demokratie” trägt, bestimmen dürfen? Oder etwa die Kretins aus dem anderen Szenario? Wenn der Tombola-Pool nur aus Murks und Plunder besteht, wie groß dürfte dann die Wahrscheinlichkeit sein, auch mal ein Goldstück zu gewinnen? Huch, wo kommt denn plötzlich die Bundestagswahl her?
Symbolkraft
In rund einem Monat soll die Bundestagswahl am 26. September stattfinden. Soll sie nur oder wird sie es auch? Diese Frage ist angesichts der im Moment munter steigenden Inzidenzzahlen durchaus nicht abwegig!
Ich bin bereit, meine Schwiegermutter zu verwetten, daß die BTW wie avisiert stattfinden wird. Sie – also die Wahl, nicht die Schwiegermutter – ist wie die Truppenfahne. Wenn sie fällt – also die Fahne, nicht die Schwiegermutter –, ist die Ehre dahin und gilt das Scharmützel als verloren (nicht zuletzt, weil der Orientierungspunkt im Schlachtgewimmel fehlt).
Selbst bei einem Inzidenzwert von 250 und dem zugehörigen Wortgeblubber von Koryphäen (oder darf es mittlerweile schon Kory·unfähen heißen?) wird die Bundestagswahl stattfinden, auch wenn es gewissermaßen in einem Potëmkinschen Dorf (paˈtjɔmkɪnʃən ˈdɔʁf) sein wird.