Als ich noch silberbasiert photographierte, war ich meistens recht glücklich, wenn sich rotfarbene Details einfangen ließen, denn gerade diese Farbe brachte gewissermaßen Leben in die Abzüge. Seltsamerweise trage ich diesen „Farbfehler” auch nach jahrelanger Digitalknipserei noch immer mit mir herum. Und das war wohl der entscheidende Grund, warum dieses Fähnchen so erfolgreich meine Aufmerksamkeit fesseln konnte.
Die Motivauswahl lief praktisch unterbewußt, aber die Denkmurmel entwickelte aus dem Motiv ganz lapidar die Frage, ob wohl die Person, die hier ihr Fähnchen nach dem Wind hängt, ihr Mitteilungsbedürfnis gegen den ökologischen Fußabdruck abgewogen hat, den dieses Statement letztlich hinterließ.
Die Trägersubstanz ist Polyester, und das ist nicht klimaneutral. Die Grundstoffe regenerieren sich nicht. Recycling ist zwar in gewissem Umfang möglich, hinterläßt aber einen ziemlich tiefen ökologischen Fußabdruck, der randvoll gefüllt ist mit Chemikalien. Und die Farben? Welche von den sechsen ist klimaneutral? Vielleicht der Purpur? Der könnte möglicherweise noch am ehesten naturnah gewonnen werden. Doch wie überredet man die Purpurschnecken, in der Industriesiedlung am Stadtrand „heimisch” zu werden? Das Herüberfliegen aus ihren angestammten Lebensräumen wäre nicht einmal dann klimaneutral, wenn die Transportflugzeuge mittels Elektroturbinen zum Fliegen gebracht würden…
Kurz: Schon allein dieses winzige Beispiel dürfte erheblichen Zweifel nähren, ob es bei der Definition der Klimaneutralität überhaupt mit rechten Dingen zugeht. Ein schweifender Blick durch die Wohnung, über den Arbeitsplatz, aufs Händi, durch das Auto oder ein öffentliches Verkehrsmittel, über jeden beliebigen Bereich des privaten oder öffentlichen Lebens dürfte diese Skepsis verfestigen oder sogar noch steigern.