Dematerialisierung

Ach, jetzt habe ich es doch glatt versäumt, vorab zu recher­chieren, welchem Motto der heutige Tag tunlichst zu unter­werfen sei. Ist aber auch irgendwie egal, denn die globalen Motto­setzungen gehen mir in einer Entfernung am Ar**h vorbei, die am besten in Parsec und nicht etwa in μm gemessen werden sollte.
Andererseits habe ich heute etwa eine Milli­sekunde vor dem Aufwachen beschlossen, diesem Tag ein persönliches Motto zu geben, das derjenigen Menschen gedenkt, zu denen ich vor Zeiten mal eine bemer­kens­werte und in ihrer Art packende Beziehung hatte, die aber inzwischen ohne erkenn­baren Anlaß zu völliger Unsicht­barkeit verblaßt ist.

anders

Seit Tagen wälze ich Gedanken über Gedanken durch meine Denk­murmel. Nein, nicht mühl­stein­artig, also immer im Kreis herum. Ich bin noch auf der Suche nach dem passenden Attribut. Spontan fiel mir trüb­sinnig ein. Doch das träfe die Wahr­heit nicht einmal ansatz­weise, denn es handelt sich keines­wegs um eine Lawine, die einen erdrücken würde, vor der es kein Entrinnen gibt. Im Gegenteil, die Gedanken münden in ein Set von Haupt­sätzen, die konsistent in ihrer Wider­spruchs­freiheit sind.
Es handelt sich demnach nicht um trüb­sinnige, sondern um – und jetzt habe ich das einzig passende Attribut gefunden – um scharf­sinnige Gedanken, die aller­dings mit der über Jahre hin indok­trinierten Sicht auf für wichtig zu erachtende Dinge weder Ähn­lich­keit noch allzu viele Berüh­rungs­punkte haben.
Und nun? Nein, ich werde dieses Gedanken­set jetzt nicht publi­zieren (und wenn, dann eh nur auf Anfrage 😉), aber ich werde meinem Kräuter­garten wieder mehr Aufmerk­samkeit widmen, speziell der Ecke mit den Gift­pflanzen…

Ungeduld

Wenn ich mir vorstelle, daß das PhotoShop-Programm mittler­weile als Freeware verfügbar ist, für das ich seiner­zeit noch einen statt­lichen Stapel von 100-Euronen-Scheinen hin­blät­tern mußte, war ich entweder zu unge­duldig oder sollte endlich mal beginnen, Möglich­keiten zu physischen Zeit­reisen auszu­loten. Oder bin ich mit diesem Ansinnen schon wieder zu unge­duldig?

Wiederentdeckung

Die Zeit „zwischen den Jahren” wollte ich dafür nutzen, endlich mal ein bißchen auf meinem Lieb­lings-PC aufzu­räumen, ehe das Silvester­ritual der Daten­sicherung Wild­wuchs konserviert. Also erst mal ein kleines Programm gemeißelt, mit dem sich doppelte Dateien komfortabel aufspüren und „behandeln” lassen. Es gibt zwar Tools, die einen solchen Service anbieten, aber warum sollte ich wohl Geld ausgeben für ein Gimmick, das ich maß­geschnei­dert für meine anspruchs­vollen (Sonder-)­Wünsche auch selbst erstellen kann.
Und schon kullerte mir ein zwar verspätetes, aber höchst will­kom­menes Weih­nachts­geschenk vor die Füße: Ich konnte 167 Text­dateien (7,5 MByte) endlich wiederfinden, die nach meinem beschei­denen Dafür­halten die besten von rund zwei­einhalb­tausend Artikeln eines meiner vorigen Blogger­leben darstellen. Wobei sich – zugegeben! – das ›gut‹ nicht unbedingt litera­risch begründet, sondern mit voller Absicht inhaltlich. 😏

Gedächtnis

Offenbar geht so mancher Poli­tiker davon aus, daß das gemeine Stimm­vieh einer­seits nur aus schwei­genden Lämmern besteht und anderer­seits aller­höchstens ein 10-Minuten-Lang­zeit­gedächtnis (wie etwa ein Gold­fisch) hat. Da gibt es z. B. ein inter­essantes Statement aus dem Bundes­mini­sterium: »Bundes­bildungs­ministerin Karliczek hat den wachsenden Druck durch muslimische Schüler und deren Eltern auf die Lehrer beklagt. Der Welt am Sonntag sagte sie, offenbar seien das keine Einzel­fälle mehr. Es gelte, sehr wachsam zu sein und unsere Werte zu schützen. Karliczek erklärte weiter, die Lehrer bräuchten mehr Rücken­deckung und Fort­bildungs­angebote, wie sie sich in solchen Konflikten verhalten sollen« (Quelle: BR24). Ja, man muß genau hingucken! Die Forderung lautet, ›unsere Werte zu schützen‹.
Schutz – im Sinne von ‘Schutz vor’ – meint doch offen­sichtlich den Schutz vor Angriffen, vor Angriffen gegen unsere (= Bun­des­repu­blik) Werte? 🤔 … und dann vollführt Frau Bundes­bildungs­minister ein Volti­gier­kunst­stück der beson­deren Art: im vollen Galopp schlägt sie sich auf die Gegen­seite (Fort­setzung des obigen Zitats): »Gleich­zeitig kündigte sie an, dass die Bundes­regierung für die Imam­ausbil­dung bis 2024 rund 44 Milli­onen Euro ausgeben wird. […] Dies sei ein wichtiger Grund­stein dafür, dass in Deutsch­land künftig möglichst überall ein welt­offener und tole­ranter Islam verbreitet werde.«
Ob ein Hund wohl weiß, wie groß und wie alt der Mond ist, den er ankläfft? Ob Frau Bil­dungs­minister den Islam-Themen­kreis wirklich über­schaut (viel­leicht durch inten­sives Koran-Studium)? Oder ob sie sich einfach nur poli­tischen Postulaten verpflichtet fühlt, die schon damals – jetzt ist das Lang­zeit­gedächtnis gefragt – dringend fragwürdig waren und heute zu erhöhtem Bedarf an Wachsamkeit, Schutz und Rücken­deckung geführt haben?

unklug

Wenn der Verstand in theore­tisch-abstrak­ten Dingen kor­reliert wäre mit Vernunft (oder Klugheit oder Weisheit), würde heut­zutage dann „Nicht diesen, sondern Bar­ra­bam” [also das – höre z. B. hier – Bevor­teilen eines Asozialen] aus­ge­schlos­sen sein?

Zeitkapsel

Kino aus der Anfangs­zeit dieser dar­stel­len­den Kunst hat mit dem heutigen Kino sicher­lich nichts mehr gemein. Keine zehn Pferde würden mich dazu bringen, mir einen heutigen Film anzu­schauen, der vor Äkschn nur so strotzt. Aber zwischen den Bio­scop‑Film­streif­chen der Gebrüder Skla­da­nowsky und dem Wahr­neh­mungs­reiz‑Tsu­nami, der an heutigen Film­kon­sumen­ten ent­fes­selt wird, um deren abge­stumpf­te und nur noch mittels Groß­kali­bers berühr­bare Sinne anzu­regen, gab es auch Kino­filme, die zu recht den dar­stel­len­den Künsten zuzu­rechnen sind (Beto­nung auf Kunst).
Diese sind recht leicht daran zu erkennen, daß sie zum einen etwas zu sagen haben und daß zum anderen die cinea­stischen Hilfs­mittel Werk­zeuge zum Hervor­heben eben dieser Botschaft und nicht etwa reiße­rische Ange­bereien sind, die völlig belang­lose und beliebig aus­tausch­bare „Hand­lungen” als Alibi für ihre narziß­tische Selbst­dar­stel­lung mißbrauchen. Damit sind aber derartige „Kunst”-Filme immer auch Doku­mente ihrer Zeit. Das sind moderne Filme zwar auch; nur sind in heutiger Zeit offen­bar andere Dinge wichtig…

Und dann kommt gerade ein Film in die Kinos, zu dem u. a. in einer Rezen­sion folgendes zu lesen ist: »Was wäre noch über einen Film zu sagen, der schon vor seinem Kino­start so viel allge­meine Aner­ken­nung bekommen hat, mit Festival-Beifall, guten Kritiken und Preisen bedacht wurde?« (Quelle: zeit.de; Hervor­hebung nach­träg­lich hinzu­gefügt). Ja, es geht um die jüngste Ver­filmung eines „Sitten­gemäldes”, das auf den Roman Berlin Ale­xan­der­platz (1929 von Alfred Döblin) zurück­geht. Auch Romane sind Zeugen der Zeit, in der der Autor sein Kunst­werk schuf. Doch sollte man wirk­lich davon aus­gehen, daß die über­lie­ferte Zeit­kapsel besser wird, wenn sie nach rund 90 Jah­ren mit Versatz­stücken der aktu­ellen Mode­erschei­nungen, zu denen durchaus auch poli­tischer Unfug und sinn­be­freite Massen­hysterie gezählt gehören, „ange­reichert” wird?

Jugend

So um das Jahr 1930 herum schrieb Robert Musil in seinem Roman Der Mann ohne Eigen­schaften folgende Sätze: »… der Spott der Jugend, ihre Auf­leh­nung gegen das Beste­hende, die Bereit­schaft der Jugend zu allem, was heroisch ist, zu Selbst­auf­opfe­rung und Verbrechen, ihr feuriger Ernst und ihre Unbe­stän­digkeit, alles das bedeutet nichts als ihre Flucht­bewe­gungen. Im Grunde drücken diese bloß aus, daß nichts von allem, was der junge Mensch unter­nimmt, aus dem Inneren heraus notwendig und eindeutig erscheint, wenn sie es auch in der Weise ausdrücken, als ob alles, worauf er sich gerade stürzt, überaus unauf­schieb­bar und notwendig wäre. Irgend jemand erfindet einen schönen neuen Gestus, einen äußeren oder einen inneren […], und augen­blick­lich stürzen, wie die Spatzen von den Dächern, wenn man Futter streut, die jungen Seelen darauf zu. […] Ist irgend etwas natür­licher, als daß jeder leiden­schaft­liche Mensch sich noch vor den gewöhn­lichen Menschen dieser neuen Form bemächtigt?!« (Quelle: Der Mann ohne Eigen­schaften, Band I, Lizenz­ausgabe des Verlages Volk und Welt, Berlin 1980).
Wer diesen so hinreißend scharf­sinnig beobach­teten Lebens­abschnitt bereits hinter sich hat, dürfte eher Zustimmung als Ablehnung empfinden. Hingegen werden wohl eher entweder Unver­ständnis oder aufbe­geh­rende Ableh­nung dominieren, wo er gerade erst erlebt oder noch auf ihn zuge­steuert wird. Doch wann und warum wird aus der feurigen Glut der Jugend die kalte Asche des All­tags­trotts, während uns das „Förder­band” der Marke Entropie auf der Zeit­schiene Jahr um Jahr weiter­schiebt?

Prä-COVID

Seit wann ist die Gültig­keit des darwin­schen „Survival of the fittest” aufge­hoben? Und damit ist keines­falls gemeint, daß sich in Zeiten des Auftretens neuer Viren­exem­plare, die gerne mal als pande­mische Zeiten verklärt werden, das zitierte Ange­paßt­sein nicht mehr nur auf biolo­gische, vege­tative Belange, sondern auch auf die Verfüg­barkeit von Medizin­technik bezieht (wenn schon nicht heilend, so doch wenig­stens symptom­redu­zierend).
Denn es geht weniger um das Über­leben der am besten (an konkrete Situa­tionen) Ange­paßten als viel­mehr um das Ableben  bzw. schwin­dende Möglich­keiten für umfang­reiche Nach­kommen­schaft der nicht so gut Ange­paßten. Das Ganze aber nicht in absoluten „top oder flop” Aussagen, sondern als Über­lebens­wahr­schein­lich­keiten von Popu­lationen in konkreten Situa­tionen: Hohe Wahr­schein­lich­keit für den Fort­bestand der einen und (extrem) verringerte Wahr­schein­lich­keit für die anderen. Denn wie wäre wohl eine konkrete Situation eindeutig und trenn­scharf zu defi­nieren und zudem noch das jeweilige Ange­paßt­sein zu quanti­fizieren, um „the fittest” zu küren?